Die Röhr Auto AG
Irgendwie gelang es dann Hans Gustav Röhr, Hugo Greffenius,
Hauptaktionär der MIAG, von seiner Idee zu überzeugen. Mit diesem
potentiellen Geldgeber und damit 500000 Reichsmark im Rücken, konnte
am 30. Oktober 1926 die Röhr Auto AG gegründet werden. Noch im selben
Jahr übernahm das junge Unternehmen das Gelände der insolventen Falcon-Automobilwerke in Ober-Ramstadt.
Allerdings erwiesen sich die Ober-Ramstädter Werkshallen für eine
Autoproduktion in großen Stückzahlen ungeeignet. Deshalb schickte
Hans Gustav Röhr seinen Chefkonstrukteur Joseph Dauben umgehend ans
Zeichenbrett. Innerhalb kurzer Zeit entwarf der einen 8-Zylinderwagen,
dessen Produktion sich auch in kleineren Stückzahlen rechnen sollte – den Röhr 8.
Die zuvor bei den Versuchswagen gemachten Erfahrungen wurden umgesetzt:
Mit Leichtbauweise, aus Stahlblech gefertigtem Tiefbett-Kastenrahmen,
wies der Flugzeugbau neue Wege. Die niedrige Bauweise der Röhr-Wagen fiel
auf! Neu für die damalige Zeit waren auch die Zahnstangenlenkung und die
vordere und hintere Einzelradaufhängung. Die außergewöhnlich guten
Fahreigenschaften des Röhr 8 wurden von keinem anderen Fahrzeug erreicht.
Mitte des Jahres 1927 lief die erste Fertigung des Röhr 8 an.
Weil sich der ansonsten sehr gut gelungene und laufruhige Motor des Röhr
8 etwas “zu schwach auf der Brust” erwies, überarbeitete man 1928 den
8-Zylinder nochmals. Der Hubraum wurde von 2,0 Liter auf 2,25 Liter vergrößert
und damit eine Leistungssteigerung von 40 auf 50 PS erreicht. Damit war das
erste “richtige” Serienfahrzeug der Röhrwerke vorzeigefähig!
Öffentlich vorgestellt wurde der neue Röhr 8 Typ R auf der Automobilausstellung
1928 in Berlin. “Der sicherste Wagen der Welt” verkündeten selbstbewusst
Werbeschilder, die auf dem Stand der Röhr Auto AG in Berlin aufgestellt
waren. Entsprechend große Aufmerksamkeit fanden die ausgestellten, niedrigen
8-Zylinderwagen. Obwohl es bei dem eher unscheinbaren Äußeren nicht unbedingt
zu vermuten war, der Röhr Wagen war insgesamt richtungweisender als das einige
Jahre gezeigte Rumpler–Tropfenauto! Fachjournalisten taten sich schwer die
Konstruktion des Röhr 8 Typ R, genau zu beschreiben, so neuartig war das Auto
aus Ober-Ramstadt. Selbst im internationalen Autobau gab es nur zwei oder
drei Hersteller, die bislang etwas Ähnliches wie Röhr gewagt hatten. Ein Auto
ohne “richtige” Achsen, das war für viele nicht vorstellbar. Wohl auch deshalb
bezeichneten einige Konkurrenten die ersten Käufer des Röhr 8 als
“Versuchskarnickel”. Sie ließen ihre konservativen “Starrachser” noch
etliche Jahre durch die Schlaglöcher der Chausseen und dem Röhr-Wagen hinterherrumpeln.
Allerdings wurde die Bauweise des Röhr 8 in Fachkreisen diskutiert und
bald deren Bedeutung erkannt. Euphorisch meldeten die “Odenwälder Nachrichten”
1928 nach der “Internationalen Automobil Ausstellung” in Berlin den Auftragsbestand
von 2200 Röhr-Wagen. Diese Zahl war sicher stark übertrieben, aber tatsächlich
war die Nachfrage für den Röhr 8 Typ R recht zufriedenstellend und die Anwesenheit
bei nahezu allen Europäischen Automobilausstellungen steigerte die Bekanntheit
der Röhr Auto AG. 1929 hatte Automobilwerk etwa 800 Mitarbeiter und die Produktion
lag bei etwa 6 Röhr-Wagen täglich.
Im Oktober 1930 stellte die Röhr Auto AG auf dem Pariser Automobilsalon
ein neues Modell vor. Der vollkommen neu konstruiert Motor hatte einen
Hubraum von 2,5 Liter und die Leistung betrug 55 PS. Um Baulänge zu sparen
hatte dieser Motor V-förmig um 10 Grad versetzte Zylinderbohrungen. Die
gleiche VR-Bauweise, wie sie heute bei verschiedenen VW Triebwerken und dem
neuen Horex-Motorrad angewendet wird. Sonst entsprach der neue Röhr 8 Typ RA
der Bauweise seines Vorgängers. Er behielt das bewährte, aber um 10 cm verlängerte
Fahrwerk. Zunächst blieb aber noch der Röhr 8 Typ R in Produktion. 1200 Röhr
Wagen wurden in Ober-Ramstadt gefertigt, dann erfasste 1930 die
Weltwirtschaftskrise das Unternehmen: Die Röhr Auto AG musste Konkurs anmelden.
Röhr und sein unter Ludwig Dauben stehender Technikerstab, zu dessen
“harten Kern” inzwischen Otto Winkelmann, Walter Kurtze und Laurenz Niessen
zählten, wechselten Anfang 1931 zu den Adlerwerken nach Frankfurt. Der
Karriereweg dieses Team sollte noch zu Daimler-Benz nach Stuttgart führen.